Wie können digitale Medien so in bestehende Lehr-Lernsettings integriert werden, dass sie das Lernen auch wirkungsvoll unterstützen?
Es ist keine neue Erkenntnis, dass mit dem blossen Einsatz von digitalen Medien im Unterricht der Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler nicht zwingend gesteigert werden kann. Vielmehr kommt es darauf an, wie neu gestaltete digitale Lehr-Lernsettings mit bisherigen wirkungsvoll kombiniert werden können. In diesem Zusammenhang sind verschiedene Orientierungsrahmen entstanden, die handlungsleitend sein können.
SAMR-Modell

Das SAMR-Modell bietet eine gute Orientierung darüber, wie bestehende Lehr-Lernsettings durch den Einsatz digitaler Medien neu gestaltet werden können. Dabei sind unterschiedliche Gestaltungsformen denkbar:
Substitution
Hierbei werden einzelne Lehr-Lernelemente durch Einsatz digitaler Medien lediglich ersetzt. Es besteht jedoch keine Erweiterung der Lernmöglichkeiten. Beispiel hierfür ist das reine Streamen von Vorlesungen.
Augmentation
Oftmals können digitale Medien bestehende Lehr-Lernelemente nicht nur ersetzen, sondern auch zusätzliche Lerngelegenheiten auslösen. Es findet also eine Erweiterung der Lernmöglichkeiten statt. Bezogen auf das Beispiel der Aufzeichnung von Vorlesungen wäre denkbar, die Aufzeichnungen mit Kapitelmarker/-überschriften zu versehen, Schlagwortindices anzuführen oder auch Zwischenfragen zu stellen.
Modifikation
Auf der Ebene der Modifikation führt der Einsatz von digitalen Medien zu einer Neugestaltung der Lehre bspw. durch die Implementation von Formaten des Flipped Classroom.
Redefinition
Auf höchster Ebene sind die Aspekte der Neugestaltung derartig ausgeprägt, dass gänzlich neue Aufgabenformate entstehen. So wäre es denkbar, dass Studierende selbst Lernvideos produzieren und so neue Lernergebnisse entstehen.
ICAP-Modell
Im Zusammenhang mit Orientierungshilfen für die Gestaltung von Lehr-Lernszenarien mit digitalen Medien ist das “ICAP-Modell» zu nennen, welches bereits in verschiedenen Kontexten erprobt wurde. Charakteristisch für das «ICAP-Modell» ist die Ausrichtung an sichtbaren Lernaktivitäten der Schülerinnen und Schüler. Diese können dabei «Passiver», «Aktiver», «Konstruktiver» oder «Interaktiver» Natur sein.

Annahme des ICAP-Modells ist, das Lernen umso effektiver und nachhaltiger ist, je tiefer die Lernenden kognitiv involviert sind und je stärker sie sich engagieren.
Bei der „untersten“ Qualitätsstufe geht es um die Aufnahme von Informationen. Studierende finden sich hier in einer eher passiven Rolle wieder und hören bspw. einer Vorlesung zu oder folgen einer Präsentation. Auf kognitiver Ebene steht die Speicherung von Inhalten im Fokus, ohne das eine weitere Auseinandersetzung mit dem Inhalt erfolgt (z. B. Lernen von Vokabeln oder Definitionen, das Kennen von Prozessen).
Eine Auseinandersetzung mit dem gegebenen Lernmaterial ist auf der Stufe aktiven Lernens gefordert. Beispielsweise über das Beantworten von Fragen (Quizzes) durch die Studierenden. Die Studierenden zeigen hierbei aber keine Aktivität, die über das gegebene Lernmaterial hinausgeht. Sie erschliessen sich noch keine neuen Informationen oder Inhalte.
Stellen sie hingegen eigene Überlegungen an oder kombinieren sie Vorwissen mit neuen Informationen in einer Weise, dass sie mit unbekannten Problemen und Situationen zurechtkommen, arbeiten sie konstruktiv. Die qualitativ höchste Stufe, interaktiv, bedeutet, dass Lernende zusätzlich noch auf dem Wissen anderer aufbauen, gemeinsam neue Lösungsansätze entwickeln oder anhand von Peer-Feedback ihre eigene Argumentation überarbeiten.
Der grosse Gewinn im ICAP-Modell liegt sicher darin, dass die kognitiven Lernaktivitäten im Zentrum stehen. Ausgehend von zuvor formulierten Lernzielen kann überlegt, welche kognitiven Lernaktivitäten es braucht, um diese zu erreichen und mit welchen Mitteln diese ausgelöst werden können.
Technology Integration Matrix (TIM)
Die Technology Integration Matrix (TIM) beschreibt fünf verschiedene Level der denkbaren Integration von Technologien in Lehr-Lernsettings. Diese reichen von “Entry” (Dozierende präsentieren Lerninhalte über verschiedene Tools) bis “Transformation” (Dozierende gestalten komplexe Lehr-Lernszenarien, die ohne Technologieeinsatz nicht denkbar wären). Diese Ebene ist in Teilen vergleichbar mit den Überlegungen des SAMR-Modells.
Hinzu kommt, dass diese fünf Level verschiedenen Prinzipien einer guten Lernumgebung gegenübergestellt werden. Damit findet sich in diesem Modell der Ansatz des ICAP-Modells wieder, von kognitiven Lernaktivitäten der Studierenden auszugehen.

Quellen:
Chi, M. & Wylie, R. (2014). The ICAP Framework: Linking Cognitive Engagement to Active Learning Outcomes. Educational Psychologist, 49(4), 219–243.
Dokumentation zur Technology Integration Matrix des Florida Center for Instructional Technology.
Videobeitrag von Ruben Puentedura “How to Apply the SAMR Model”